Was Platon schon wusste: „Wir sind gefangen in einer Scheinwelt“ – Teil 2
von Dieter Broers | Mrz 2, 2017 | Artikel
[1] Platon (in „Politeia“, Buch VII)
Liebe Freunde,
heute möchte ich meinen Artikel über die Scheinwelt – die Welt der Illusionen – fortsetzen. Bereits in meiner frühen Kindheit hatte ich das sichere Gefühl, dass mit dieser Welt was nicht stimmt. Irgendetwas schien die Menschen daran zu hindern ihre natürliche Wesensart zu leben. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, es nicht mit ihnen selbst (ihrem „Selbst“) zu tun zu haben, sondern mit einem Konstrukt ihrer Vorstellungen und Zwänge. Für viele Jahre hatte ich keinen offenen Ansprechpartner für meine außergewöhnliche Wahrnehmung. Ich denke es war Platon, der mir mit seinem Höhlengleichnis eine Bestätigung vermittelte. In Platons Höhlengleichnis[1] stellt er den Aufstieg des Menschen durch vier Stufen der Erkenntnis sinnbildlich dar:
Die Menschen leben in einer Höhle, sind an Ketten gefesselt und blicken auf eine Felswand, während hinter ihnen ein Feuer flackert. Auf der Felswand sehen sie nur die Schatten von Gegenständen, die hinter ihnen vorübergetragen werden und welche vom Schein des Feuers als Schattenbilder an die Wand vor ihnen projiziert werden. Die Menschen halten einzig diese Schattenbilder für die Wirklichkeit (das Seiende) und befinden sich damit auf der ersten Stufe der Erkenntnis: der bloß sinnlichen Wahrnehmung.
Eine Gruppe von Gefangenen verbringt das ganze Leben festgekettet in einer Höhle, ihr Blick ist immer auf die Höhlenwand gerichtet. Am Höhleneingang werden Objekte vorbeigetragen, beleuchtet von einem großen Feuer. Ihre vergrößerten Schatten fallen auf die Höhlenwand, und diese Schatten sind alles, was die Gefangenen von der Welt wahrnehmen.
In Platons Höhlengleichnis erklärt er, dass unsere Sinne nur Schatten einer höheren Art von Wirklichkeit wahrnehmen. Alles was wir sehen, so meinte Platon, ist bloß eine unvollkommene Projektion von vollkommenen, abseits unserer erfahrbaren Welt befindlichen Ideen. Bereits Heraklit, der Platons Lehrer Sokrates inspirierte, wusste: Eines der wichtigsten Dinge, die man über den Menschen wissen muss, ist, dass er schläft. Selbst wenn er denkt, dass er wach ist, ist er es nicht wirklich. Seine Weisheit ist äußerst kümmerlich; sie ist so unbedeutend, dass sie eigentlich vollkommen vernachlässigbar ist. Seine Wachheit ist nur ein schöner Name, doch im Grunde völlig bedeutungslos. Ihr schlaft bei Nacht, und ihr schlaft bei Tag – von der Geburt bis zum Tod verändert sich immer nur euer Schlafmuster, doch ihr wacht niemals wirklich auf. Nur weil ihr die Augen offen habt, solltet ihr nicht denken, dass ihr wach seid. Solange die inneren Augen nicht offen sind – solange Dein Inneres nicht voller Licht ist, solange Du nicht sehen kannst, wer Du bist -, denke nicht, dass Du wach bist. Das ist die größte Illusion, in der der Mensch lebt. Und sobald man wach zu sein meint, kommt man gar nicht mehr auf die Idee, Anstrengungen zu unternehmen, um zu erwachen. Das Erste, was Ihr tief verinnerlichen müsst, ist also, dass Ihr schlaft, dass Ihr in tiefem Schlaf liegt. Ihr träumt, tagein, tagaus. Manchmal träumt Ihr mit offenen Augen und manchmal mit geschlossenen, doch immer seid Ihr im Traum. Ihr seid noch nicht wirklich Realität. Natürlich ist alles, was man in einem Traum macht, bedeutungslos. Was man denkt, ist ohne Bedeutung, was man projiziert, ist Teil des Traums und erlaubt einem niemals, das zu sehen, was wirklich ist. Daher haben alle Buddhas immer nur diesen einen Punkt betont: Wacht auf!
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All ihre Lehren über die Jahrhunderte hinweg lassen sich in einer einzigen Aufforderung zusammenfassen: Seid wach!
Und sie haben Methoden und Techniken dafür entwickelt; sie haben Zusammenhänge und Räume und Energiefelder geschaffen, in denen Ihr so geschockt werden könnt, dass ihr aufwacht. Denn wenn ihr nicht geschockt werdet, wenn ihr nicht bis auf den tiefsten Grund erschüttert werdet, wacht ihr nicht auf. Euer Schlaf dauert bereits so lange, dass er den Kern Eures Wesens erreicht hat; Ihr seid damit durchtränkt. Jede Zelle Eures Körpers und jede Faser Eures Verstandes ist inzwischen voller Schlaf. Wenn all die Buddhas der Welt in einem Punkt übereinstimmen, dann ist es dieser – dass der Mensch so, wie er ist, schläft und dass er wach sein sollte. Wachheit ist das Ziel, Wachheit ist der Geschmack all ihrer Lehren. Zarathustra, Lao-tse, Jesus, Buddha, Bahauddin, Kabir, Nanak – all die Erwachten haben nur das Eine gelehrt…“
Osho geht noch weiter[1]: „Du erwachst, wenn Du dir Deiner Träume bewusst wirst und das Gefühl bekommst, dass es sich wirklich nur um Träume handelt – nichts ist mehr real, alles ist nur noch ein Drama des Verstandes, ein Psychodrama. Du bist die Bühne, Du bist der Schauspieler, und Du bist der Autor. Du bist der Regisseur, Du bist der Produzent, Du bist der Zuschauer – niemand anderer ist da, es ist nur eine Kreation Deines Verstandes. Wenn Dir das bewußt wird, dann wird auch diese ganze Welt, die während deines Wachzustands existiert, ihre Qualität verändern. Dann wirst Du erkennen, dass hier dasselbe gilt – es spielt sich zwar auf einer größeren Bühne ab, doch der Traum ist derselbe. Hindus bezeichnen diese Welt als Maya – Illusion, Traum, Trugbild. Was meinen sie damit? Meinen sie, dass sie nicht wirklich ist? Nein, sie ist wirklich – doch wenn der Verstand daran beteiligt ist, erschafft man sich eine eigene unwirkliche Welt. Wir leben nicht in derselben Welt; jeder lebt in seiner eigenen Welt. Es gibt so viele Welten, wie es Menschen gibt. Wenn die Hindus sagen, dass diese Welt Maya ist, dann meinen sie, dass diese Welt zusammen mit dem Verstand Maya ist. Die Realität, das, was wirklich ist, kennen wir nicht. Die Realität zusammen mit dem Verstand ist Illusion, ist Maya.
Wenn jemand vollkommen erwacht ist, dann kennt er die Realität, wie sie ohne Verstand ist. Dann handelt es sich um die Wahrheit, Brahman, das letztendlich Gültige. Kommt der Verstand hinzu, wird alles zum Traum, denn der Verstand ist das, was Träume erzeugt. Ohne den Verstand ist nichts mehr ein Traum; nur die Realität bleibt zurück, in ihrer kristallklaren Reinheit.
Der Verstand ist wie ein Spiegel. In einem Spiegel wird die Welt reflektiert. Diese Reflektion kann nicht real sein, sie ist nur eine Spiegelung. Wenn der Spiegel nicht mehr vorhanden ist, verschwindet die Reflektion – dann sieht man die Realität.“
[2] Quelle: Osho, Bewusstsein, Beobachte ohne zu urteilen. Ullstein Verlag, 2004.
Das „Selbst“ umfasst alles was ist, wohingegen das „Ich“ nur seinen individuellen Erfahrungsbereich verwaltet.
Ganz offenbar fällt uns die Unterscheidung von Traum und Wirklichkeit nicht leicht. Wenn diese Aussagen wirklich zutreffen, würde dies demzufolge daran liegen, dass wir diese Unterscheidung als Träumer treffen. Es wäre auch denkbar, dass es auch innerhalb der Wirklichkeit problematisch ist, Erscheinung von Realität zu unterscheiden, ohne dass sich der einzelne Mensch darüber im Klaren ist. Die beiden Giganten der Philosophie Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer gingen dieser Frage nach und kamen zu der Überzeugung, dass es mehr geben müsse, als die dem Subjekt erscheinende Welt. In „Die Welt als Wille und Vorstellung“ und „Kritik der reinen Vernunft“ stellen Arthur Schopenhauer und Immanuel Kant eine Philosophie vor, welche von dem Ding an sich ausgeht, welches das wahre Wesen der Gegenstände und bei Schopenhauer auch das der Menschen beschreibt. Diese Vernunft- bzw. Verstandeswelt entsprach bei den alten Griechen einem halbschlafähnlichen Zustand. In einem Halbschlaf befinden wir uns dann, wenn wir Einsicht in beide Welten haben. Wir nehmen wahr, dass wir uns eben noch in einem Traum befanden und andererseits die Tageswelt in der Wachheit auf uns wartet.
Einer der ersten dieser Ansicht war der griechische Philosoph Heraklit. Er vertrat die Ansicht: Menschen befinden sich in einem Zustand traumähnlicher Unbewusstheit. Nach seinem Schüler Sokrates sind wir nicht vollständig verantwortlich für die Handlungen, die zum Leid führen. Seine Lehre besagt im Grundsatz: Niemand fügt sich oder anderen, bewusst etwas Böses zu. Alles, was der Mensch in seinem halbschlafähnlichen Zustand anstellt, tut er aus dem Maß seiner Unbewusstheit heraus. In einem erwachten Zustand – in dem er voll bewusst wäre –, würde er zu keiner bösen Handlung fähig sein.
Immanuel Kant unterschied zwischen quantitativ („unbewusste“) und qualitativen („bewussten“) Handlungen. Er gab den Handlungen eine Ethische Grundlage (Maxime): „Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns zur allgemeinen Gesetzmäßigkeit erhoben werden kann.“
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Um eine derartige Maxime zu erstellen bedarf es einer – gegenüber der Alltagswelt – höheren Bewusstheit. Die hier gemeinten Handlungsaufträge entspringen keiner Trieb-Motivation, sondern werden von eine selbst erfassten Ethik entworfen. Naturgemäß sind unsere bekannten fünf Sinne hierfür nicht geeignet. Um eine echte Ethik zu erfassen, bedarf es einer echten Selbst-Wahrnehmung.
Verstandes- oder Selbstbewusst?
Aus meiner Sicht entspricht der halbschlafähnliche Zustand dem Prozess des Erwachens. In diesem Erwachen befinden wir uns zwischen Verstandes- und Selbst-Bewusstsein. Dieses „wach werden“ ist der Übergang von einer Welt des Träumens (Schlafens) in eine Welt des Wachbewusstseins (Erwachens).
Liebe Freunde,
zum Abschluss dieser beiden Artikel über die Wellt der Illusionen möchte ich Euch nun zu einer kleinen Übung einladen. Hierzu möchte ich Euch gern sehr persönlich, also mit Du ansprechen:
Schließe nun bitte einmal für etwa dreißig Sekunden Deine Augen, und achtet dann einmal auf Deine Gedanken. Hast Du es getan? Gut, dann hast Du also an irgendetwas gedacht, nicht wahr? Das Besondere daran ist nun, dass Du gedacht hast und zusätzlich Deine Gedanken auch beobachten konntest. Oder? Also war das, was Deine Gedanken beobachten konnte, etwas Übergeordnetes. Was meinst Du, wer dieser Beobachter in Dir war? Bitte denke einmal nach… Selbst jetzt, wo Du darüber nachdenkst, ist dieser Beobachter vorhanden, jedoch nicht immer aktiv, stimmts?
Ich möchte Euch noch einmal daran erinnern, das die Voraussetzung einer solchen Selbst-Beobachtung immer dann zum Vorschein kommt, wenn wir uns in einem Zustand der Ruhe und Entspannung befinden. Derartige Selbst-Wahrnehmungen sind die ersten Schritte zum „Erwachen“. Diese Art der Selbstkontrolle führt automatisch zu einer konzentrierteren Aufmerksamkeit und Überlagert die dominierende Vormachtstellung des Egos. Eine Wahrnehmung aus dem Selbst heraus, löst die Schleier der Illusionen. Nach meiner Überzeugung entspricht unsere Welt der Illusionen – bzw. der Traumwelt – einem übersteigerten Ego. Diese befreiende Selbst-Wahrnehmung versetzt uns in eine Klarheit, um diese Welt der Illusion (Matrix) zu durchschauen und unsere Freiheitsgrade zu erhöhen. Was einer Nutzung des Freien Willen gleichkommt.
In diesem Sinne erkennen wir unser unerschöpfliches Bewusstseins-Potential, welches uns zu einem wahren Selbstvertrauen und einer hiermit verbundenen Souveränität führt. Auf der spirituellen Ebene würde das bedeuten, dass wir uns in unserer Mitte befinden. Allein wenn man sich einem Großteil der Sinnesreize entzieht (Großstadtleben, Fernsehen, Radio…), so dass die Sinne praktisch schwerpunktmäßig in eine bestimmte Richtung gelenkt werden, wird auch ein höheres Potential an gleichschwingenden Neuronen aktiviert. Unter anderem baut sich hierdurch ein entsprechendes körpereigenes Magnetfeld auf. Vereinfacht formuliert: Viele gleichschwingende Neuronen generieren ein entsprechend starkes und messbares Magnetfeld. Mit einem solchen Magnetfeldmessgerät lässt sich darstellen, in welchem Bewusstseinszustand wir uns befinden. In einem Zustand der Meditation zum Beispiel zeigt unser Gehirn sich ein außergewöhnlich starkes Magnetfeld. Bereits eine klare und bewusste Wachheit in entspannter Lage ist die Voraussetzung für unsere Souveränität und für die Auskopplung aus der künstlichen Matrix.
Me Agape
Euer
Dieter Broers
Quellen
[1] Platon (in „Politeia“, Buch VII)
[2] Osho, Bewusstsein, Beobachte ohne zu urteilen. Ullstein Verlag, 2004.