PEGIDA-Dresche: Neuer Tiefpunkt in der Mainstream-»Berichterstattung«
Markus Gärtner
Selten hat sich die Mainstream-Presse so blamiert wie am Montagabend. Die nunmehr achte Kundgebung der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida), an der diesmal 10 000 Demonstranten teilnahmen, wurde in demagogischer und kaum zu überbietender uniformer »Berichterstattung« als Aufmarsch fremdenfeindlicher, hasserfüllter Hinterwäldler dargestellt, die von mutigen, aufgeklärten und als »breites Bündnis« auftretenden Vernunftmenschen mit enormer Zivilcourage zum Glück in Schach gehalten wurden.
http://youtu.be/8079GpseCWw
Von der FAZ über Focus bis hin zum Tagesspiegel stützten sich die aufgeklärten »Qualitätsjournalisten« dabei im Wesentlichen auf denselben Text der Nachrichtenagentur dpa, mit dem Hinweis, es handle sich bei Pegida um ein fremdenfeindliches und nationalistisches »sogenanntes Bündnis«, das eine »Verschärfung des Asylrechts« fordert. Mehr war – wie in den äußerst seltenen »Berichten« in der Mainstream-Presse bisher – nicht über Pegida zu erfahren. Keine Statements von Menschen, die an der Demo teilnahmen, keine Personenbeschreibungen, nichts über mögliche Beweggründe für die Teilnahme und ähnliche Details, die Leser gerne erfahren würden und Journalisten sonst üblicherweise erfragen. Dafür gab es viel mehr Information über die Gegendemonstration, an der sich christliche Kirchen, das Islamische Zentrum, die Jüdische Gemeinde, der Ausländerrat, das Bündnis »Dresden Nazifrei« sowie die Studierendenschaften und die Technische Universität beteiligten. Alles in allem: Der quasi-braune Mob, der Feuerwerkskörper in Richtung Gegendemonstranten abschoss, während die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Nora Goldenbogen, Gelegenheit für ihren Hinweis bekam, wie wichtig es sei, Menschen in Not zu helfen. Als würde das irgendjemand ernsthaft bestreiten.
Doch Stimmen aus der Bewegung, die erklären könnten, was 10 000 Bürger in die Straßen vonDresden treibt? Keine Zeile. Der redaktionelle Platz in den genannten Zeitungen wurde darauf verwendet, die Bewegung systematisch zu diskreditieren, sie als durchweg fremdenfeindlich abzustempeln, ohne sie überhaupt zu beschreiben. Viel Raum bekam dagegen die Tatsache, dass sich in Düsseldorf nur 400 Menschen an der Dügida-Demo beteiligten, während an der Gegendemonstration drei Mal so viele teilgenommen hätten. Natürlich sagt das etwas, aber es sagt nichts über die Menschen, die da auf die Straße gingen. Stattdessen eine kurze Botschaft, die den Lesern eingetrichtert wird: Hier die wuchernde Vernunft der Gegendemonstranten, dort der Pöbel. Keine der Zeitungen hat es für nötig befunden, sich die Bewegung aus der Nähe anzuschauen, vielleicht einfach nur inkognito mitzumarschieren und Augen und Ohren zu öffnen, für die, die mitmarschieren und zu sehen, was da vor sich geht. Wochenlang hat die Mainstream-Presse die wachsende Bewegung ignoriert. Jetzt, wo man sie nicht mehr totschweigen kann, werden konfektionierte Agenturberichte hergenommen und aus der Ferne draufgehauen, was das Zeug hält. Den vergleichsweise größten »Aufwand« für eine Erforschung der jungen Bewegung betrieb noch der Autor im Tagesspiegel, Martin Niewendick, der es bei seiner »Recherche« wenigstens bis zurFacebook-Seite von Pegida schaffte und eine Mandy P. mit den Worten zitierte, sie »habe nichtsgegen Asylanten, aber sie sollten sich benehmen und nicht ihre Kippenstummel auf den Boden schmeißen und rumspucken.« Dafür, lieber Mainstream, müssen wir keine Zeitung kaufen, wir können selbst beiFacebook vorbeischauen. Eine kleine Dienstreise von wenigen Autostunden hat keine der Redaktionen der führenden Zeitungen für nötig gehalten, um sich die Dresden-Demo näher anzuschauen. Die FAZ hatte sich bereits am Sonntag in ihrer Onlineausgabe die Mühe gemacht, »die neue Wut aus dem Osten« (frustrierte, undankbare Querulanten) etwas eingehender zu beschreiben, wenn auch lange nicht mit dem Mikroskop, das sonst für Bilanz-Analysen eingesetzt wird.In der Einleitung des Artikels wurde die montägliche Demo als immer gleiches Ritual beschrieben, mit eingesetzten Ordnern, die Armbinden tragen, Deutschland-Fahnen und Transparenten, einem Redner mit kurzen Haaren in dunklem Parka, dazu die johlende Menge. Die Assoziation zu braunen Aufmärschen der dunklen deutschen Vergangenheit war nicht zu übersehen. Was sollen wir als Leser von einer Mainstream-Presse halten, die uns so uniform, so einseitig und so von oben herab »Informationen« aufbereitet? Wird bei wichtigen Entwicklungen und Ereignissen auch zuerst draufgehauen und vielleicht später einmal hingeschaut, wenn eine Bewegung so groß ist – und politisch so inkorrekt − dass man sie nicht mehr kleinschweigen und ignorieren kann? Ist das die verkürzte und einseitige Wahrnehmung, die erklären kann, warum wir nicht vorher auf die nahende Finanzkrise 2008 aufmerksam gemacht wurden? Wird die Realität ständig über kurze Besuche auf Facebook-Seiten und die kollektive Übernahme von Agenturberichten »abgebildet« und verzerrt? Ist es nicht wichtig, Menschen und deren Motive erst einmal genauer anzuschauen, bevor man sie pauschal als unaufgeklärte, dümmliche Fremdenhasser abstempelt? Gibt es vielleicht reale Ängste, die sie haben könnten? Sollten sie die nicht artikulieren können, bevor man ihnen einen Stempel auf den Mund klebt? Und: Müssen wir uns über die wachsende Verachtung gegenüber Journalisten noch wundern, wenn derart undifferenziert und einseitig »berichtet« und polemisch draufgehauen wird?
Im Nachbarland Schweiz beantwortet man das Ansinnen nach einer Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit einer Volksabstimmung. Die Mehrheit kann eine Minderheit dann in die Schranken weisen.Hier erklärt man die Initiatoren gleich für durchgeknallte Fremdenhasser und erspart sich den demokratischen Prozess. Es ist besser, mit der medialen Keule der Mainstream-Presse beizeiten draufzuhauen, man weiß ja nie.Ein Kommentar im Forum des Tagesspiegels bringt die Brisanz der Mainstream-Berichterstattung so auf den Punkt:
»Wenn man die Ängste, die Auslöser dieser Demos sind, als nicht rational begründet ansieht (wofür es gute Gründe gibt), dann sollte man sich mit der Ursache dieser Ängste differenziert auseinandersetzen, statt die Nazikeule zu schwingen. Medien und Politik tun unserer Gesellschaft keinen Gefallen damit, diese Ängste zu ignorieren. Wenn 10 000 Menschen in Dresden an einem Montagabend auf die Straße gehen, kann man das nicht einfach als tumbes Wutbürgertum abtun. Auch bedenklich finde ich, dass es als Akt der Zivilcourage gefeiert wird, wenn Antifa und Genossen die Pegida Demo ›erfolgreich‹ blockieren. Wenn das Demonstrationsrecht nur noch für die gelten soll, die der gleichen Meinung wie man selber ist, steht unsere Demokratie mit einem Bein im Grab.«
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