Gentechnik-Flickenteppich in Deutschland?

Im Dezember 2014 haben wir Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) mehr als 250.000 Unterschriften gegen Konzern-Mitsprache in der Gentechnik-Politik übergeben. Mit Erfolg. Doch nun droht neues Ungemach: Schmidt will künftige Anbauverbote etwa für Gentech-Mais von Monsanto nicht selbst verhängen, sondern die Verantwortung auf die Bundesländer abschieben. Das Problem: Damit eine Gen-Sorte in Deutschland nicht auf die Felder kommt, bräuchte es dann 16 erfolgreiche Verbotsverfahren. Bayer, Monsanto und Co.könnten sie alle vor Gericht anfechten. Das würde den Konzernen gefallen, Gentechnik wäre kaum noch zu stoppen.

Worüber wird entschieden?

Ob und welche gentechnisch veränderten Pflanzen überhaupt in Europa angebaut werden dürfen, entscheidet die Europäische Union – also auch die deutsche Bundesregierung, deren Vertreter in Brüssel mit abstimmen. Vergangenes Jahr einigte man sich darauf, dass einzelnen Mitgliedsstaaten Gentech-Anbauverbote künftig leichter selbst verhängen dürfen. Dieser Beschluss muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist Landwirtschaftsminister Christian Schmidt dafür zuständig.

Schmidt erklärt immer wieder, er wolle keinen „Flickenteppich“ von Regionen mit und ohne Gentechnik-Feldern in Deutschland. Er stehe für ein „flächendeckendes Verbot“. Doch er tut das Gegenteil: Sein Ministerium hat jetzt vorgeschlagen, dass nicht der Bund, sondern die Länder die Anbauverbote verhängen müssten. Also 16 Einzelentscheidungen von 16 verschiedenen Agrarminister/innen verschiedener Regierungskoalitionen. Abgesehen von dem unglaublichen Bürokratieaufwand, könnte das dazu führen, dass gentech-freundliche Landesregierungen – derzeit zum Beispiel in Sachsen-Anhalt und Sachsen – den Anbau von Gentech-Mais zulassen.

Doch Pollen von Gentech-Pflanzen macht nicht an Landesgrenzen Halt – Wind und Insekten tragen ihn darüber hinweg. Zudem werden Unmengen von landwirtschaftlichen Produkten täglich kreuz und quer durch die Republik transportiert. Gentech-Verunreinigungen auf Feldern, in Lagern und Mühlen oder gar in Saatgutpartien – und damit verbundene wirtschaftliche Schäden – können die Folge sein. Mögliche Risiken für Umwelt und Gesundheit sind nach wie vor nicht geklärt.

Monsanto, Bayer und Co. könnten jede einzelne der Länder-Entscheidungen vor Gericht anfechten. Damit wäre einer beispiellosen Prozesslawine der Weg bereitet. Denn die Konzerne haben bereits häufig unter Beweis gestellt, dass sie bei der Gentechnik klagewillig sind – zuletzt auf Hawaii, wo Monsanto und Dow vor Gericht gegen eine Volksabstimmung vorgehen, die ein Gentechnik-Verbot auf der Insel erlassen hatte.

Wie begründet Agrarminister Schmidt sein Vorgehen?

Wenn der Landwirtschaftsminister, wie er behauptet, keinen Gentechnik-Flickenteppich in Deutschland will – warum nimmt er dann nicht das Heft des Handelns in die Hand? Schmidt begründet das mit der „Rechtssicherheit“. Weil man in Eigentums- und Berufsausübungsrechte eingreife, müssten die Anbauverbote möglichst wasserdicht begründet sein – ansonsten drohten Klagen. Die Bundesländer wüssten am besten, welche regionalen Besonderheiten es gebe, die man zur Legitimation des Verbots heranziehen könnte. Regionale Besonderheitenals Verbotsgründe werden freilich zwangsläufig einen Flickenteppich verursachen.

Schon länger drückt sich die Bundesregierung davor, sich klar gegen Gentechnik zu positionieren und ihren Koalitionsvertrag umzusetzen. Dort heißt es: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“ Und 84 Prozent der Bürger/innen lehnen Gentechnik auf dem Acker abDie EU-Zulassung des Gentech-Mais 1507 von Pioneer wurde nur durch ihre Enthaltung möglich. Bei der jetzt umzusetzenden EU-Regelung zu nationalen Verboten verhinderte sie viele rechtssichere Verbotsmöglichkeiten. Nun will sie ihre Verantwortung auf die Bundesländer abschieben.

Wer kann Agrarminister Christian Schmidt stoppen?

Die Bundesländer haben bereits im vergangenen Jahr beschlossenGentechnik-Anbauverbote sollen einheitlich vom Bund ausgesprochen, Aufwand und Verantwortung nicht auf die Länder abgewälzt werden. Für eine gentechnikfreie Landwirtschaft brauchen wir ein Gesetz, mit dem ein Gentechnik-Verbot immer vom Bund verhängt wird – und für ganz Deutschland gilt. Daher müssen die Bundesländer jetzt möglichst geschlossen verhindern, dass Schmidts Pläne den Bundesrat passieren.

Doch soweit darf es gar nicht erst kommen. Schon am 19. März will Schmidt den Entwurf mit seinen Landes-Kolleg/innen bei der Agrarministerkonferenz diskutieren. Etliche haben sich bereits gegen die Pläne ausgesprochen. Andere schwanken noch. Diese Wackelkandidaten bilden derzeit ihre Meinung. Um ihnen zu zeigen, dass wir Bürger/innen nur ein bundesweites Gentechnik-Verbot akzeptieren, möchten wir ihnen 200000 Unterschriften übergeben. Denn wenn die Länder Schmidt geschlossen die Stirn bieten, wird er von seinem Vorhaben ablassen.

 

Die Koalitionspartnerin SPD und alle ihre Landesregierungen haben sich wiederholt für einheitliche Gentechnik-Anbauverbote für ganz Deutschland ausgesprochen. Das SPD-geführte Bundes-Umweltministerium erklärte, es spreche „vieles dafür, dass es nicht zu einem Flickenteppich mit unterschiedlichen Lösungen in Deutschland kommen sollte.“ Umweltministerin Barbara Hendricks sagte: „Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen.“ Daher ist es nun insbesondere an den SPD-Ministern, ihrem Kabinettskollegen Schmidt klar zu machen: So nicht! Ohne Zustimmung der SPD-Ministerien kann Schmidt das Gesetz nicht durch das Kabinett bringen. Umweltministerin Barbara Hendricks, Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel müssen verhindern, dass sich der Bund aus der Verantwortung stiehlt. Für ein einheitliches Gentechnik-Anbauverbot in Deutschland! Gegen den drohenden Flickenteppich und Schlupflöcher für Monsanto & Co!

Wann wird entschieden?

Schmidt drückt beim Gentechnik-Gesetz auf die Tube. Bereits Anfang März sollen die anderen Bundesministerien ihre Einschätzung zum Gesetzentwurf geben. Hier fällt eine erste Vorentscheidung. Im April soll das Bundeskabinett den Entwurf absegnen – und ihn an Bundestag und Bundesrat geben. Bereits im Herbst soll das Gesetz in Kraft treten.

Wenn Christian Schmidt tatsächlich rechtzeitig zur kommenden Anbausaison das Gentechnik-Verbotsgesetz verabschieden will, dann muss er einen Vorschlag vorlegen, der für die Mehrheit der Koalition, in den Ländern und auch für seinen eigenen Wählern akzeptabel ist.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.